Das goldene Au

Das Goldene Au Seite 20 Oberauer Sagen Oberau ist nicht nur reich an lustigen und weniger lustigen Geschichten, sondern es ranken sich auch eine ganze Reihe von Sagen und mystische Geschichten in und um das alte Au. Sagen lassen sich in der Regel auf historische Ereignisse und Naturphänomene zurückführen. Diese können schreckliche und grausame Bege- benheiten sein oder auf Ereignissen beziehungsweise örtlichen Besonderheiten, für die man keine Erklärung finden konnte, basieren. Diese wahren Ereignisse und Handlungsorte wurden in Sagen aufgenommen. Wenn man in früherer Zeit für Naturphänomene keine Erklärung fand, dann füllte der Aberglaube diese Lücke: Glühwürmchen oder biolumineszierende Pilze wurden schnell zu Unheilverkündern oder Boten des Bösen in der Natur. In vielen Mythen und Legenden werden Lichterscheinungen zu Seelen Verstorbener, die zu Lebzeiten böse waren und nun zur Strafe auf ewig auf der Erde wandeln müssen oder nach Erlösung suchen. So soll es auch zwischen dem Mauthaus in Oberau und dem Steinernen Brückerl „gegeistert“ haben. Am Waldrand, an den Ufern des Ronetsbachs, der Loisach und auf den Wiesen links und rechts neben der „Landstraß“ leuchteten – so erzählen es mehrere Sagen – urplötzlich immer wieder kleine Lichter auf, bewegten sich, flackerten, brannten eine Weile und erloschen dann urplötzlich wieder, um an anderer Stelle erneut auf sich aufmerksam zu machen. So berichten Rei- sende und Wanderer immer wieder von diesen unheimlichen Lichterscheinungen. Zum Teil wurden diese Lichterscheinungen auch mit der „arme Seel vo an Mörder“ in Verbindung gebracht, wobei das Rauschen des Windes durch das Loisachtal als erbarmungswürdiges Stöhnen des Irrlichts gedeutet wurde. Eine Sage erzählt, dass die an verschiedenen Stellen immer wieder aufleuchtenden heulenden Seelenlichter eines Mörders die Fahrgäste einer Reisekutsche so aufgewühlt hatte, dass eine der mitreisenden Frauen noch am gleichen Abend eine Kerze für das Seelenheil des Mörders stiftete. Ein anderes Naturereignis führte zu einem seit vielen Jahrzehnten in Oberau nicht mehr geübten Brauch: Das Scheibentreiben. Der Brauch könnte auf die Er- innerung an einen Meteoriteneinschlag in vorgeschichtlicher Zeit (Bronzezeit, Keltenzeit) im Chiemgau, den sogenannten Chiemgau-Impakt, der bis ins Wer- denfelser Land durch Feuererscheinungen am Himmel zu sehen war, zurückzuführen sein. Der Brauch des Scheibentreibens wurde immer in der Woche nach Ostern, vom Dienstag auf Mittwoch, von den Oberauer Burschen zu Ehren ihrer Liebsten praktiziert. Videoclip ‚Gedicht – Scheib‘n will i Treib‘m‘ Auch besondere Steinformationen haben den Geist der Einwohner angeregt und versucht das Zustandekommen dieser geologischen Formation zu erklären. Eine davon steht am Fuße des Estergebirges, nicht weit hinter der Grenze zur Nachbargemeinde Eschenlohe: Die Teufelskapelle. Die Steinformation hat die Form einer Kapelle. Bei besonderen Lichtkonstellationen tritt dieses steinerne Kirchlein aus dem Berghang heraus und präsentiert sich eindrucksvoll dem Betrachter. Beson- ders mystisch wirkt die Teufelskapelle, wenn sie von Nebelschwaden umrahmt wird. Während reale Kirchen – wie z.B. die St. Georgskirche auf dem Bühel – von Christenhand erbaut worden sind, kann folglich eine rein aus Fels geformte Kirche – ohne Türen und Fenster – nur vom Teufel selbst errichtet worden sein. Aber nicht nur Naturphänomene, sondern auch geschichtliche Ereignisse führten zu Sagen in und um Oberau. Eine davon hat ihre Wurzeln vermutlich in dem von Papst Urban III. auf der Synode von Clermont im Jahre 1095 ausgerufenen Krieg gegen die muslimischen Reiche im Nahen Osten. Es liegt nahe, dass wohl auch der eine oder andere Bewohner des Loisachtales sich aus religiöser Überzeugung oder Abenteuerlust einem dieser Heerzüge angeschlossen hatte und zum Teil auch nicht mehr heimgekommen war. Geschichten, die in späteren Jahrhunderten erzählt wurden, legen zumindest diese Vermutung nah. Dieses historische Ereignis, ergänzt mit der Dunkelheit, dem unheimlichen Rauschen des Windes, dem Gurgeln und Plätschern des Wassers des Ronetsbachs und der Loisach, gepaart mit den aufflackernden Irrlichtern, hat den Talbewohnern einen Streich gespielt und ihnen durch das Tal ziehende Heerzüge vorgegaukelt.

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