Das goldene Au

Das Goldene Au Seite 1 Ein Überblick zu Geschichte und Entwicklung der Gemeinde Oberau Stand: Januar 2023 Videoclip ‚Das goldene Au'

Das Goldene Au Seite 2 Inhalt Das Oberauer Gemeindewappen..................................................................................................... 3 Die Entwicklung von Oberau .......................................................................................................... 3 Älteste Zeugnisse ............................................................................................................................... 4 Von der Gröbe des Gebirgs: Das liebselige Getreid ..................................................................... 5 „Vor Pest, Hunger und Krieg verschone uns, oh Herr“ ................................................................ 6 Unterm Krummstab ist gut wohnen: Unter ettalischer Herrschaft............................................. 7 Dorf an der Grenze ........................................................................................................................... 8 Vom weißen Auer Gold..................................................................................................................... 9 Fahr ma auf Minga mit´m Floß. .................................................................................................... 10 Au an der Gabelung von zwei Fernhandelsstraßen. .................................................................... 12 Ein alter Oberauer Hof .................................................................................................................. 14 Oberau im Industriezeitalter: Die Bahn kommt und die neue Ettalerstraße wird gebaut ..... 15 Vom Bauerndorf zum Industrieort ............................................................................................... 16 Berühmte Oberauer....................................................................................................................... 18 Oberauer Sagen............................................................................................................................... 20 Literaturverzeichnis........................................................................................................................ 22 Bildverzeichnis. ............................................................................................................................... 22 Impressum. ...................................................................................................................................... 22

Das Goldene Au Seite 3 Das Oberauer Gemeindewappen Das Wasserrad erinnert an die große Bedeutung der Wasserkraft in der Wirtschaftsgeschichte der Gemeinde Oberau. Mit Wasserkraft wurden Sägemühlen, Gipsstampfe, eine Hammerschmiede und eine Mahlmühle betrieben. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert er- langten die Oberauer Gipsbrüche überörtliche Bedeutung; Hauptabsatzgebiet war die Landeshauptstadt München. Die Wappenfarben erinnern an die engen Beziehungen der Gemeinde zu dem vom wittelsbachischen Kaiser Ludwig dem Bayern gegründeten Kloster Ettal und geben zugleich die bayerischen Landesfarben wieder. Die Gemeinde Oberau führt das Wappen seit 1963. (Quelle: Haus der Bayerischen Geschichte: https://www.hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail?rschl=9180126) Die Entwicklung von Oberau Die natürlichen Faktoren „Gipslagerstätten“, „Waldbestände“ und „Wasserkraft des Gießenbachs und der Loisach“ machten die Gipsproduktion und die Flöße- rei möglich und erlaubten den Auern das Überleben in einem rauen Klima und trotz schlechter Böden. Die institutionellen Faktoren „Grunduntertanen des Klosters Ettal“, „Lage an der Grenze zu Werdenfels“ und „Lage an der Rottstraße“ formten die äußeren Rahmenbedingen für das Leben in Au unterm Kienberg. Das Kloster gestattete den günstigen Bezug von Holz, die Lage an der Handelsstraße bot zusätzliche Einkommensmöglichkeiten, gefährdete aber auch Leib und Leben vor allem durch durchziehende Truppen. Nach der Aufhebung des Klosters Ettal im Jahre 1803 und der Grenze zu Werdenfels, sowie dem Eintritt in das Industriezeitalter 1889 änderten sich einige Fak- toren. Wasserkraft und Holzreichtum blieben als bestimmende Größen, die Eröffnung der Eisenbahn und verbesserte Straßen förderten den Fremdenverkehr und den Abtransport der produzierten Güter. Videoclip ‚Faktoren‘ Videoclip ‚Bauliche Entwicklung Oberau‘

Das Goldene Au Seite 4 Älteste Zeugnisse Reihengräberfunde in der Nähe der Pfarrkirche St. Ludwig zeigen, dass Oberau, früher auch „Au unterm Kienberg“ genannt, wie Nachbardörfer auch, etwa in der Mitte des 7. Jahrhunderts n. Chr. besiedelt wurde. In der Mitte des 8. Jahrhunderts schenkte ein Adeliger dem Kloster Benediktbeuern drei Höfe in Au zusammen mit der Wiese Antfranga (Ampferang auf Ettaler Flur). Eine vor dem Jahr 1000 entstandene Altarplatte in der Kirche St. Georg weist ebenfalls auf ein hohes Alter des Dorfes hin. Kunsthistorische Befunde in der Kirche legen frühmittelalterliche Substanz nahe. Die These, die in einer Doktorarbeit geäußert wurde, dass nämlich bereits in spätrömischer Zeit auf dem Kirchbichl eine kleine christliche Kirche stand, lässt sich allerdings nicht beweisen. St. Georg auf dem Bühel wird erstmals im Jahre 1315, also noch vor der Gründung des Klosters Ettal, in der Konradinischen Matrikel erwähnt. Die Filialkirche gehörte zur Urpfarre Garmisch und hatte Begräbnisrecht. Vor allem der Verkauf des Gipses und die Flößerei brachten viel Stiftungsgeld in die Kasse des Filial- gotteshauses. Die Kirchenstiftung St. Georg hatte insbesonders im 18. Jahrhundert ein beachtliches Vermögen, das vornehmlich für die Kreditgewährung an unverschuldet, z.B. durch Brand, in Not geratene Einwohner des heutigen Landkreises verwendet wurde. Bei Grabungen in der Kirche wurden Skelette von Er- wachsenen und Kindern aus der Zeit um 1300 gefunden. Der Ort der Bestattung lässt vermuten, dass es sich um Angehörige des Ortsadels der Auer handelt. Man kann auch vermuten, dass bereits um 750 nach Christus die Oberauer eine sehr kleine, aber eigene Kirche hatten, in der freilich relativ selten Gottesdienst gehalten wurde. St. Georg dürfte ein Alter von rund 1200 Jahren haben und damit eine der ältesten Kirchen des Landkreises sein. Der Platz vor „Sankt Jörg auf dem Bühel“ war im Mittelalter auch ein Versammlungsort, auf dem die Werdenfelser jedes Jahr am Georgentag die Auer Bauern auf ihre von diesen immer bestrittenen Weiderechte in der Deubleswies hingewiesen haben. Der heutige Bau stammt aus dem Jahre 1664 (Inschrift Neukonsekrierung). Im Inneren war im späten 18. Jahrhundert der Lüftlmaler Franz Seraph Zwinck am Werk und schuf u.a. einen sehenswerten Kreuzweg. Videoclip ‚St. Georg‘ Videoclip ‚Bergfriedhof St. Georg‘ Grabplatte als Altartisch in St. Georg Funde Oberauer Ortsadel in St. Georg (um 1300) St. Georg mit Spitzturm und Au, 17. Jhdt.

Das Goldene Au Seite 5 Von der Gröbe des Gebirgs: Das liebselige Getreid Die Oberauer und die Bauern der Grafschaft Werdenfels mussten auch bei größeren Höfen, im Gegensatz zum Alpenvorland, Jahr für Jahr Getreide, das Grund- nahrungsmittel des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, dazukaufen. Das raue Klima, das in der „Kleinen Eiszeit“ (Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein) noch um einiges rauer wurde, ließ keine ausschließliche Selbstversorgung zu. In Oberau wurde in der Hauptsache Gerste und Hafer ange- baut. Der Hafer war für die Rösser, die schwerste Arbeit verrichten mussten, besonders geeignet und gedieh auch in der Zeit der Klimaverschlechterung. Roggen, das Brotgetreide, musste hauptsächlich auf der Schranne im Unterland gekauft werden. Bauern im Dienste des Klosters Ettal, z.B. der Wirt zum Schrenk (später Post) bekamen ihr wöchentliches Brotdeputat. Praktiziert wurde die Egartwirtschaft, die an das kühle Klima angepasst war. Man brach Weideflächen um, wenn das Gras nicht mehr recht wachsen wollte und baute dann fünf bis sechs Jahre Sommergetreide, später auch Kartoffeln an. Der Ertrag war gering. „Nur der dritte oder vierte Saame“ (v. Hazzi) konnte geerntet werden. Ebenso gering war der Milchertrag der wenigen Kühe. Mehr als 800 l pro Jahr (heute etwa 8.900 l) waren nicht zu erwarten. Almwiesen, auf die man das Jungvieh hätte treiben können, gab es kaum. Die sogenannte Oberauer Alm war nicht sehr groß, sehr steil und für die Tiere gefährlich. Bäckerei des Klosters Ettal, Ende 17. Jhdt. Import von Getreide durch Träger

Das Goldene Au Seite 6 „Vor Pest, Hunger und Krieg verschone uns, oh Herr“ Als Dorf an zwei Fernhandelsstraßen war der Ort immer besonders gefährdet durch durchmarschierende Truppen und fahrendes Volk. So wird vermutet, dass die Pest, die in den Jahren ab 1632 in unserem Gebiet grassierte, durch Söldner eingeführt wurde. Diese Krankheit, die im Klostergericht Ettal und in der Graf- schaft Werdenfels besonders wütete, hat nach allen Indizien unseren Ort allerdings verschont. Als Grund für diese „Immunitätsinsel“ Au wird der relative Wohlstand vermutet, der auf Gipsproduktion, Flößerei und das Fehlen von sehr kleinen Höfen (Leersölden) zurückzuführen ist. Von Kriegen blieb Au allerdings genauso wenig verschont wie die Nachbardörfer. Waren die Schäden, die der Dreißigjährige Krieg (1618 -1648) hinterließ, noch gering - von einem Bauernhof ist uns allerdings eine Plünderung bekannt - so wurde im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 -1714) das Dorf zum Kriegsschauplatz und litt unter den Schikanen und Raubzügen der Soldateska. In beiden Kriegen wurden Schanzen errichtet. Sie wurden im Dreißigjährigen Krieg nicht benötigt, im Spanischen Erbfolgekrieg brachten sie keinen Schutz. Im Gefecht am Steinernen Brückl (1703) erlitten die bayerischen Truppen gegen die Österreicher eine schwere Niederlage, die das Oberland für die Kaiserlichen öffnete und Not und Elend über die Bevölkerung brachte. Auch in den Napoleonischen Kriegen (1797-1815) machte die Bevölkerung üble Erfahrungen mit einquartierten und durchmarschierenden Truppen. Videoclip ‚Schanzen‘ Videoclip ‚Von Bösen Leuten ausgeplündert‘‘ Arzt mit Pestschutz Schanze im Süden von Oberau 1721/22

Das Goldene Au Seite 7 Unterm Krummstab ist gut wohnen: Unter ettalischer Herrschaft Die Bauern des Dorfes gehörten vor 1803, dem Jahr der Aufhebung des Klosters (Säkularisation), zur Ettaler Hofmark. Darunter versteht man den abgegrenz- ten Bezirk einer Grundherrschaft, die das Recht zur niederen Gerichtsbarkeit hatte. Für die Oberauer Untertanen war das Kammergericht Ettal zuständig. Als Besitzrecht galt Freistift bzw. später veranleite Freistift. Das bedeutete, dass der Abt dem Pächter jederzeit das Pachtverhältnis kündigen konnte. In der Praxis kam das allerdings so gut wie niemals vor. Das Leben als Untertan des Ettaler Prälaten war vielleicht nicht immer ganz bequem, aber verglichen mit dem Dasein in anderen Hofmarken erträglich. Die Patres konnten hart zuschlagen, hatten aber auch ein lebhaftes Interesse an den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Bauern. Schweren Verpflichtungen, etwa der Vorspannpflicht für die Fuhren des Klosters auf der Kienbergstraße, standen in der Regel auch entsprechende Gegenleistungen gegenüber, so etwa ein großzügiges Holzdeputat und regelmäßige Brotlieferungen für Bauern, die im Dienste des Klosters standen. Für die Flößerei konnte Holz aus den Klosterwaldungen erworben werden. Dabei verfuhren die Bauern, wie überall im Herzogtum bzw. Kurfürstentum, oft recht großzügig und schreckten vor nicht genehmigter Holzentnahme nicht zurück. In der Frühen Neuzeit nahm man es mit Gesetzesüberschreitungen nicht so ernst. Das zeigte sich auch bei Steuererhebungen, bei denen häufig wichtige Einkommensbestandteile verschwiegen wurden. Oberauer Untertan des Klosters Ettal mit Familie in spanischer Tracht Kloster Ettal, 17. Jhdt.

Das Goldene Au Seite 8 Videoclip ‚Mauthaus‘ Videoclip ‚Straff der Zigeuner und Rauber‘ Dorf an der Grenze Südlich von Au, am Steinernen Brückl, begann ein anderes Land, das weltliche Reich des Fürstbischofs von Freising: die Grafschaft Werdenfels, ein Teil des reichsunmittelbaren Hochstifts Freising, einem europäischem Kleinstaat mit weit gestreuten Besitzungen. Bischof Enicho hatte 1294 die Bildung des Territo- riums durch den Erwerb der Grafschaft zu Partenkirchen und Mittenwald vom Grafen von Eschenlohe abgeschlossen. Vorher hatte der Kirchenfürst im Jahre 1249 bereits das „predium Germaresgaue“ erworben. Der Mangel war: „Alle früheren Grenzbeschreibungen für die Grafschaft Werdenfels…sind ohne Mitwir- kung der Anrainer entstanden.“ (Brandner) Nach der Auffassung des Hochstifts gehörten nämlich auch Au und Eschenlohe den Freisingern. Dafür gab es einige Argumente. Allerdings bestätigten die Wittelsbacher dem 1330 gegründeten Kloster Ettal die Grenze „pys an den Ramenstein“ (Röhrlerwand). Damit hatte der Fürstbischof nicht nur Eschenlohe, sondern auch Au unterm Kienberg verloren. Bei den späteren, zahlreichen Querelen, die aber keine wesentlichen Änderun- gen brachten, ging es dann auch gar nicht mehr um Eschenlohe. sondern nur noch um Au. Die Oberauer bezeichneten die Einwohner südlich unseres Ortes auch gerne als „Ausländer“. Mauthaus – Grenzstation zwischen Bayern und Werdenfels Bereits Ende des 17. Jahrhunderts trug man sich in München mit dem Gedanken, die Zollstätten in Oberammergau und Eschenlohe (Weghaus) durch ein neues Zollamt bei Oberau zu ersetzen. Die Engstelle zwischen Hirschberg und Loisach beim sogenannten Plättl war als Ort bereits ins Auge gefasst worden. Dennoch dauerte es bis etwa 1750 ehe das Zollhaus wirklich gebaut wurde. Im Mauthaus waren Soldaten vom „Höchst Dero löbl. 2ten Chevaux Legers Regiment“, in Bayern auch Schwolescheh genannt, stationiert. Sie hatten die Aufgabe, an der Grenze hauptsächlich auf der rechten Seite der Loisach, zu patrouillieren und vornehmlich auf „Zolldefraudanten“, aber auch auf fahrendes Volk, zu achten. Zu den Schmugglern zählten auch die Werdenfelser Fuhrleute, die sehr zum Ärger der Oberauer nicht immer den üblichen Weg ins Goldene Landl heimfuhren, sondern auf Schleichpfaden am rechten Loisachufer, um Zoll zu sparen. Dabei ruinierten sie die Felder von Au. 1802 fiel die Grenze. Werdenfels wurde bayrisch. In das Mauthaus zogen Schüler ein. Zu den Lehrern zählte auch Pater Othmar Weis OSB, der Schöpfer des Oberammergauer Passionsspiels. Er hielt nach der Aufhebung des Klosters Ettal eine Zeit lang Unterricht für die Auer Kinder. Zu seinen Schülern gehörte Joseph Aloys Daisenberger. Grenzbeschreibung Bayrisch-Freisingische Grenze; Anfang des 17. Jhdts. Bild des Mauthauses in der Schule in Oberau, Peter Maninger

Das Goldene Au Seite 9 Vom weißen Auer Gold Den Namen „Goldenes Au“ verdankt Oberau der Gipsproduktion. Erste schriftliche Informationen darüber stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert. Als Pionier gilt die Familie Daisenberger. Seine Blütezeit erreichte der Abbau in der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts als nach und nach alle Bauern zu „Gipsbauern“ wurden und der Gießenbach zwölf Stampfwerke antrieb. Produziert wurde zunächst nur ungebrannter Gips, der vor allem als Düngemittel verwendet oder in München für den Bau weiterbearbeitet wurde. Später wurde das Mineral auch in Oberau selbst gebrannt. Befördert wurde das Produkt vor allem mit Flößen auf Loisach und Isar, in der Hauptsache in die Landeshauptstadt, gelegentlich auch bis Wien. Verpackt war es in Holzfässern, die von den Garmischern in großer Zahl angeliefert wurden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhundert ging mit der Floßfahrt auch der Absatz des „weißen Auer Goldes“ mehr und mehr zurück. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Gips aber noch industriell gewonnen und verarbeitet. Bäuerliche Skizze eines Gipsstampfs, 18. Jhdt. Aufteilung der Gipsbrüche nach der Säkularisation Einwegpackung: Gipsfass

Das Goldene Au Seite 10 Fahr ma auf Minga mit´m Floß Ein großer Teil des Gipses, aber auch andere Güter wie Bretter, Schindeln, Holzkohle, Kalk und Wetzsteine wurden mit gebundenen Flößen vor allem nach München und Freising, aber gelegentlich auch nach Wien geführt. Das Holz kam vor allem aus den Ettalischen Waldungen. Auch Personen wurden auf dem Wasser befördert. Die Flößerei hatte in Oberau eine lange Tradition. In den Münchner Kammerrechnungen erscheinen schon mit Beginn des 16. Jahrhunderts zunehmend die Namen von Flößern aus dem oberen Loisachtal. Für das Jahr 1536 heißt es, dass die „von Au aus der Ettalischen Hofmark Floßholz und Kohl- holz bis an den Ramenstein“ (Röhrlerwand) schlagen. Bis zu 50 mit Gips bzw. mit Holz beladene Flöße brachte z.B. die Familie Daisenberger in einer Saison in die Landeshauptstadt. Der Heimweg musste zu Fuß zurückgelegt werden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drang die Eisenbahn mehr und mehr ins Oberland vor und beendete ein uraltes Gewerbe. Fahr ma auf Minga mit´m Floß Das harte, großes Geschick erfordernde Gewerbe wurde durch das Kloster Ettal ermöglicht. Die Benediktinerabtei räumte den Auer Untertanen großzügige Rechte ein. Sofern es sich nicht um Holz für den Eigenbedarf handelte (Brenn-, Bau-, Schindel- und Zaunholz), musste für das vom Kloster den Bauern ange- wiesene Floßholz das sogenannte Stammgeld bezahlt werden. Da als Zulast vor allem noch der Gips hinzukam, konnten am Zielort – in der Regel – München beide Güter meist gewinnbringend verkauft werden. Dass die Bauern in den Ettalischen Waldungen, wie schon erwähnt, auch ohne Erlaubnis und Gebührenzahlung Holz zum Verkauf schlugen, war ein offenes Geheimnis und wurde auch in der bayerischen Forstordnung erwähnt. Mit dem Vordringen der Eisenbahn ins Oberland verlor das uralte Gewerbe zunehmend an Bedeutung bis es für den Gütertransport fast völlig zum Erliegen kam. Heute werden Floßfahrten nur noch für kürzere Vergnügungsfahrten organisiert. „Nahui in Gott´s Nam“ - Nepomukkapelle in Oberau Mit dem überall in Altbaiern üblichen Ruf „Nahui in Gott´s Nam“ begannen die Oberauer Flößer ihre Fahrt auf Loisach und Isar. Vorher hatten sie noch an der Nepomukkapelle gebetet. Der heilige Johannes von Nepomuk war Priester und Märtyrer und galt als Brückenheiliger und Patron der Flößer. Die Kapelle war von der Floßfahrenden Gesellschaft von Au in der Blütezeit der Floßfahrt, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, errichtet worden. Die Fahrt flussabwärts war riskant, kein gemütlicher Ausflug wie heute. Der lange Heimweg – meist zu Fuß – nach Oberau war mühsam. War man dort angelangt, wartete oft schon das nächste Floß. In der kalten Jahreszeit ruhte das Floßhandwerk, nicht aber die Arbeit im Gipsstampf und im Bergwald. Videoclip ‚Flößerei‘

Das Goldene Au Seite 11 Modell eines Floßes mit Gipsfässern Nepomukkapelle, 2. Hälfte d. 19. Jhdts., unbekannte Kopie von Anton Schöpf Loisachfloß Loisachfloß, 20. Jhdt.

Das Goldene Au Seite 12 Au an der Gabelung von zwei Fernhandelsstraßen In Au gabelten sich zwei alte Fernhandelswege. Die eine Route führte von Augsburg über Schongau und Oberammergau bis nach Au. Der Kienbergweg, der das Loisachtal mit dem Ammertal verbindet, war ein gefürchtetes Stück davon. Mit der zweiten Straße, die von der Fuggerstadt über Weilheim und Murnau eben- falls das obere Loisachtal erreichte, vereinigte sie sich in unserem Ort. Der weitere Weg ging über Partenkirchen, Mittenwald, Innsbruck zum Brenner, weiter über das Pustertal nach Venedig (Untere Straße). Mit ihr konkurrierte die so genannte Obere Straße, die von Augsburg über das Außerfern, den Reschenpaß und Bozen die Lagunenstadt erreichte. Transportiert wurde mit quälender Langsamkeit zu einem Teil durch die Rottfuhrleute von Rottstation zu Rottstation. Solche Haltestellen waren in unserem Gebiet Partenkirchen, Mittenwald und Oberammergau. Die Spediteure des Mittelalters und der Frühen Neuzeit fuhren nur von Station zu Station, wo die Fracht abgeladen wurde und die nächsten Rottleute übernahmen. Am Fuße des Kienbergwegs leisteten die Auer Bauern ge- bührenpflichtigen Vorspann. Die für das Kloster Ettal bestimmten Güter (u.a. Getreide und Wein) mussten ohne Entgelt befördert werden. Die zum Vorspann verpflichteten Bauern empfanden das als schwere Belastung, die sie erst in der Säkularisation abschütteln konnten. Die Kienbergstraße gehörte auch zum weit verzweigten Netz der Wege nach Rom. Vil edel und nit edel landfahrer: Die Rottstraßen Venedig Augsburg Neben den Fuhrleuten, vorspannenden Bauern und Reisenden, die auf den beiden Straßen unterwegs waren, zog ständig ein Heer von Bettlern und Vaganten über die Rottstraßen. Sie gehörten zu den größten Plagen der Anlieger und der Bewohner der Städte. Durch Gesetze war ihnen nicht beizukommen. Für das 18. Jahrhundert ist uns die Klage des Wirts der einsam am Fuße des Kienbergs gelegenen Bäckerei und späteren Tafernwirtschaft überliefert: „Er sähe es gar gerne, daß ein Haus neben ihme mechte erbauet werden, weillen er ganz allein alle Nacht in Sorgen stehen muess, wann er von bessen Leithen ausgeblindert wird.“ Aber auch fromme Pilger, vor allem aus dem Schwäbischen, wanderten auf dem Weg nach Rom über die Kienbergstraße und besuchten dabei auch die Marien- wallfahrt Ettal. Unter den Pilgern waren auch Martin Luther und viele andere Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Besonders aufwendig waren die Wallfahrten der bayerischen Kurfürsten und ihrer Entourage nach Ettal. Schließlich waren auch z.B. im Spanischen Erbfolgekrieg eigene und feindliche Truppen unterwegs, die die Bevölkerung schikanierten und ausraubten. Ihnen allen überlegen an Geschwindigkeit der Fortbewegung waren die Augsburger Kaufmannsboten, die bei günstigen Bedingungen in acht Tagen Briefe von Augs- burg bis Venedig brachten, verglichen mit den Fuhrleuten ein Stück Frühkapitalismus, repräsentiert vor allem durch die Fugger. Videoclip ‚Alte Ettaler Straßen‘ Videoclip ‚Schreckensfahrt über den Kienberg‘

Das Goldene Au Seite 13 Rottfuhrwerk: Alte Ettaler Straße mit Mauergraben Ausschnitt der Rottstraße von Augsburg nach Venedig; 18. Jhdt. Augsburger Boten, 1627, unbekannter Maler Pilger

Das Goldene Au Seite 14 Ein alter Oberauer Hof Zu den ältesten Oberauer Höfen zählt der Daisenbergerhof (Doasenberger) in der Ortsmitte. Er ist durch Veröffentlichungen weit über das Dorf hinaus bekannt geworden, weil Michael Daisenberger jun. und sen. von 1765 bis 1797 über ihr Leben Aufzeichnungen gemacht haben. In Altbaiern war es eine absolute Selten- heit, dass Bauern in früheren Jahrhunderten ihr Leben schriftlich festgehalten haben. Darüber hinaus berichtet uns auch der Knecht Johann Georg Prändel, (1759-1816) der es später zum Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Professor der Mathematik brachte, über Arbeitstechniken auf dem Hof (Heinz Schelle, Tagebuch eines Bauernlebens. Rosenheim 2000). Vom Daisenbergerhof stammt auch der Geistliche Rat Joseph Aloys Daisenberger, nicht nur ein gütiger Seelsorger, sondern auch ein gründlicher Historiker und Gestalter der Oberammergauer Passionsspiele. Ludwig Thoma, dessen Vorfahren mütterlicherseits ebenfalls aus Oberau stammen, hat ihm in seinen Erinnerun- gen ein Denkmal gesetzt. Ebenfalls dem Oberauer Zweig der Daisenberger entstammte der Pfarrer Alois Joseph Daisenberger (1864-1951), der sich um das bäuerliche Genossenschafts- wesen verdient gemacht hat. 1590 in der großen Hexenverfolgung im Werdenfelser Land wurde Dorothea Daisenberger vom Hof als Hexe denunziert. Im Klos- tergericht Ettal blieb sie allerdings unbehelligt. Daisenbergerhof; Anfang 20. Jhdt. Geistlicher Rat Joseph Aloys Daisenberger (1799-1883)

Das Goldene Au Seite 15 Videoclip ‚Oberau wird Bahnstation‘ Oberau im Industriezeitalter Die Bahn kommt und die neue Ettalerstraße wird gebaut 1889 hatte die alte Kienbergstraße, über die 1880 noch der Verkehr zu den Passionsspielen abgewickelt wurde, ihre Rolle als Stück eines wichtigen Fernhandels- wegs schon längst ausgespielt. Eine neue Straße wurde gebaut. Nachdem zuerst eine Brücke von der Nordflanke des Kirchbichls über das Gießenbachtal in den Ettaler Sattel geplant war, entschied man sich doch für die heutige Trassenführung. Am 22. September 1889 war die Einweihung. Der Weg nach Westen war einfacher geworden. Im gleichen Jahr am 24. Juli 1889 wurde die Bahnlinie Murnau-Garmisch eingeweiht. Bis dahin war die Bahn bloß bis Murnau gegangen. Für die Passionsspiele 1890 war man somit gerüstet. Die neue Bahnstrecke förderte auch das langsame Anwachsen des Fremdenverkehrs. Eine weitere Bahnver- bindung von Oberammergau ins Graswangtal und durch das Gießenbachtal nach Oberau, für die bereits eine Genehmigung vorlag, wurde nicht realisiert. Der Ausbruch des 1. Weltkriegs verhinderte die Realisierung. Bis zum 24. Juli 1889 war die Fahrt von München bis nach Oberau oder ins Werdenfelsische sehr mühsam. Die Eisenbahn ging nämlich, wie schon erwähnt, nur bis Murnau. Dann musste man in eine Postkutsche umsteigen. Die nicht sehr bequeme und langsame Beförderung haben so manche Schriftsteller beschrie- ben. Lange hatte man sich bemüht, um eine Bahnverbindung zu bekommen. Die Gründe, die die Antragsteller vorbrachten, waren rein wirtschaftlicher Natur: beginnender Fremdenverkehr und Anzeichen einer ersten Industrialisierung. Man erhoffte sich einen ökonomischen Aufschwung im Oberland, das nicht mit Reichtümern gesegnet war. Jetzt war es endlich soweit: Die Staatsregierung erteilte eine Bau- und Betriebskonzession. Im Juli 1889 war das Ziel erreicht. Die Hoffnungen sollten sich erfüllen. In Oberau entstanden zwei größere Betriebe, die Lederpappenfabrik und das Sägewerk Poettinger. Aus dem Bauerndorf wurde ein Industrieort. Die Fahrt von unserem Ort bis München betrug jetzt „nur“ noch 3 Stunden und 45 Minuten. Als der festlich geschmückte Zug in den Bahnhof eingefahren war, wurde von einem Fahrgast ein Gedicht vorgetragen: Dem glücklichen Gelingen, dem Blühen und Gedeih´n, Der neuen Bahn lasst bringen mir dieses Glas voll Wein – Im Namen der Gemeinde, dem trauten Oberau – Hoch Bayern, Hoch den Bergen! Hoch unserer Fahne-weiß und blau Verkehr über die alte und neue Ettaler Bergstraße Postillon und Dampflokomotive; Nebeneinander von altem und neuem Verkehrsmittel in Oberau Bahnhofsgebäude Oberau, um 1900 Bahnhof Oberau; Stich von E.von Renazzi, 1890

Das Goldene Au Seite 16 Vom Bauerndorf zum Industrieort Der Niedergang der bäuerlichen Gewerbetätigkeiten gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde kompensiert durch den Aufbau von zwei Industriebetrieben durch zwei Pioniere, Andreas Kienzerle und Theodor Poettinger. Wieder waren es der Rohstoff Holz und die Wasserkraft des Gießenbachs, die den Einwohnern Arbeit und Brot gaben. Andreas Kienzerle, der aus einer Kohlgruber Familie stammte, soll, so geht die Legende, schon als Kind den Wunsch gehabt haben, einmal die Kraft des Gießenbachs zu nutzen. Im März 1888 begann Kienzerle mit dem Aufbau einer Anlage zur Produktion von Lederpappe. Für die Fertigung aus brau- nem Holzstoff wurde Elektrizität und Holz gebraucht. Für die Erzeugung waren zunächst 32 Männer und 13 Frauen beschäftigt. 1889 konnte die Produktion bereits durch die neu eröffnete Bahn Murnau – Garmisch versandt werden. Die Ansiedlung der Firma Papier und Pappe und die stetig anwachsende Produktion bestimmten bis zum Ende des 20 Jahrhunderts ganz wesentlich das Schicksal und die Größe des Ortes. Oberau war sozusagen von einem Tag auf den anderen vom winzigen Bauerndorf zum Industrieort geworden. Die Bevölkerung wuchs. Die Arbeitskräfte kamen vor allem aus Altbaiern (Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz), aus dem heutigen Regierungsbezirk Schwaben, aus Kärnten und dem Trentino. Da sich der kulturelle Hintergrund der Arbeiter nicht allzu sehr von dem der Einheimischen unterschied, gelang die Integrierung, wenngleich die Industriearbeiter eine etwas andere Einstellung zur katholischen Kirche hatten. Die später „Papier und Pappe“ genannte Firma, die über 100 Jahre das Schicksal des Ortes bestimmt hatte, existiert heute nicht mehr. Die industrielle Tradition wird durch die Langmatz GmbH fortgesetzt. Der Produktionsfaktor Holz spielt keine Rolle mehr. Ein zweiter Industriepionier, der schon genannte Theodor Poettinger (1869-1936), kam 1892 von Holzkirchen und erwarb die Säge von Ludwig Daisenberger (Lippen). Auch er nutzte die Kraft des Gießenbachs zur Stromerzeugung und den Holzreichtum der Gegend. Er baute einen Betrieb auf, der 1921 etwa 45 Mit- arbeiter hatte, für das kleine Oberau eine stattliche Anzahl. Wie Kienzerle erkannte er früh die wachsende Bedeutung der Elektrizität. Die Ansiedlung von zwei Industriebetrieben veränderte den Charakter des Dorfes. Der Anteil der bäuerlichen Produktion ging stetig zurück, eine ganze Reihe von Höfen wurde aufgegeben. Da die Zuwanderer zu einem großen Teil aus Altbaiern, Schwaben und Franken kamen, war der kulturelle Hintergrund dem der Alteingesessenen ähnlich. Das Dorf der Mühlen Loisach und Gießenbach überschwemmten immer wieder die Wiesen und Äcker der Auer. So sagten sie in der Steuererhebung von 1671, dass ihnen der „Leusachrunst bereits Äckher, Wismader und Lüss völlig weckhgenommen“ und dass…der „diessenbach ihren völligen bluembesuch (Viehaustrieb) verwiesen“. Der Gießenbach und die Loisach waren aber auch ein Segen für das Dorf. Der Bergbach trieb auf dem Höhepunkt der Gipsproduktion zwölf Gipsmühlen, eine Sägemühle, eine Mahlmühle und eine Hammer- schmiede. Auf der Loisach wurden ein großer Teil der Gipsproduktion und der Holzprodukte wie Bretter, Schindeln und Holzkohle befördert. Auch das Floß selbst fand Käufer. Hammerschmiede, um 1900

Das Goldene Au Seite 17 Papier & Pappe um 1900 Die Papierfabrik, Bild von Alexej Jawlensky Daisenbergersäge durch Kauf an Familie Poettinger (rechts im Bild), 1892 Werk Poettinger, kurz vor dem 1. Weltkrieg

Das Goldene Au Seite 18 Berühmte Oberauer Videoclip ‚Berühmte Oberauer‘ Oberau kann von der Neuzeit bis in die nähere Vergangenheit auf eine ganze Reihe von Persönlichkeiten blicken, die im Ort geboren oder gelebt und einen Beitrag zur Geschichte geleistet haben Johann Georg Prändel (1759-1816) Einer davon, Johann Georg Prändel – leider gibt es kein Bild von ihm –, arbeitete als Bauernknecht auf dem Hof der Doasenberger. Der „Mann ohne Gesicht“ schrieb später viele Bücher. 1803 wurde er zum Professor der Mathematik an der königlichen Pagerie in München ernannt. Er ging in die Geschichte der Mathematik ein. Geistlicher Rat Joseph Alois Daisenberger (1799-1883) Der Bauernsohn Joseph Alois Daisenberger aus dem Doasenbergerhof, Sohn von Michael Daisenberger jun. studierte Theologie und wurde Priester. 1850 wurde er als Pfarrer von Oberammergau mit der Spielleitung der Oberammergauer Passion betraut. Er reformierte das Pestspiel und begründete den Weltruf der Oberammergauer Passion mit. Außerdem war er ein gründlicher Historiker seiner näheren Heimat. Matthias Allinger (1879-1927) Matthias Allinger war in Österreich sehr viel bekannter als in Deutschland. Der Oberauer Schreinergeselle brachte es in Österreich zum Gewerk- schaftssekretär und einem der fähigsten Organisatoren der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Er begründete die christliche Gewerkschaftsin- ternationale und trug zur Überwindung der Kluft zwischen Frankreich und Deutschland bei. Als er früh starb, hielt der damalige Bundeskanzler Österreichs Prälat Seipel, der katholischer Priester war, die Trauerrede. Michael Daisenberger jr. (1758-1801) Michael Daisenberger jr. ist – wie auch sein Vater – durch seine Aufzeichnungen weit über das Dorf hinaus bekannt geworden, schrieben von 1765 bis 1797 ihr Leben in Tagebüchern auf und ließen so Jahrhunderte später die Menschen an dem bäuerlichen Leben im 18. Jahrhundert teil- haben Pater Othmar Weis (1769-1843) Der in Bayersoien geborene Ettaler Benediktiner Pater Othmar Weis erteilte nach der Aufhebung der Abtei Ettal den Kindern von Oberau von 1804 bis 1807 Elementarunterricht. Zu seinen Schülern zählte auch der spätere Pfarrer Daisenberger von Oberammergau.

Das Goldene Au Seite 19 Andreas Kienzerle (1848-1929) Der Oberauer Industriepionier Andreas Kienzerle führte mit der Gründung der Lederpappenfabrik das bäuerliche Oberau in das Industriezeitalter. Pfarrer Alois Daisenberger (1864-1951) Pfarrer Alois Daisenberger gründete die Brauereigenossenschaften Holzkirchen und Reutberg. Er engagierte sich für die Bauern des Oberlands auch politisch und war in der Weimarer Republik auch Mitglied des Bayerischen Landtags. Ludwig Thoma (1867-1921) Der große bayerische Dichter Ludwig Thoma stammte mütterlicherseits aus der Oberauer Wirtschaft zur Post (früher Schrenck). Seine Groß- mutter, eine geborene Neuner, hatte von dort 1823 nach Oberammergau beim Schwabenwirt eingeheiratet. Theodor Poettinger (1869-1936) Theodor Poettinger, der zweite Industriepionier, erwarb die Säge von Ludwig Daisenberger und baute sie zu einem großen Sägewerk aus. Pöttinger war u.a. ein großer Förderer des Deutschen Museums in München. Rudolf Pannwitz (1881-1969) Der Dichter und Philosoph Rudolph Pannwitz lebte von 1911-1915 in Oberau und verfasste hier unter anderem seine Werke „Zur Formenkunde der Kirche“ und „Dionys“. Bekannt wurde er durch einen umfangreichen Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal. Luise Rinser (1913-2009) Die spätere Schriftstellerin Luise Rinser lehrte 1934/35 als Aushilfslehrerin ohne feste Anstellung in Oberau. Ihre freundliche Art hinterließ bei den Kindern bleibenden Eindruck. In ihrem Buch „Den Wolf umarmen“ erzählt sie über ihre Oberauer Dienstzeit.

Das Goldene Au Seite 20 Oberauer Sagen Oberau ist nicht nur reich an lustigen und weniger lustigen Geschichten, sondern es ranken sich auch eine ganze Reihe von Sagen und mystische Geschichten in und um das alte Au. Sagen lassen sich in der Regel auf historische Ereignisse und Naturphänomene zurückführen. Diese können schreckliche und grausame Bege- benheiten sein oder auf Ereignissen beziehungsweise örtlichen Besonderheiten, für die man keine Erklärung finden konnte, basieren. Diese wahren Ereignisse und Handlungsorte wurden in Sagen aufgenommen. Wenn man in früherer Zeit für Naturphänomene keine Erklärung fand, dann füllte der Aberglaube diese Lücke: Glühwürmchen oder biolumineszierende Pilze wurden schnell zu Unheilverkündern oder Boten des Bösen in der Natur. In vielen Mythen und Legenden werden Lichterscheinungen zu Seelen Verstorbener, die zu Lebzeiten böse waren und nun zur Strafe auf ewig auf der Erde wandeln müssen oder nach Erlösung suchen. So soll es auch zwischen dem Mauthaus in Oberau und dem Steinernen Brückerl „gegeistert“ haben. Am Waldrand, an den Ufern des Ronetsbachs, der Loisach und auf den Wiesen links und rechts neben der „Landstraß“ leuchteten – so erzählen es mehrere Sagen – urplötzlich immer wieder kleine Lichter auf, bewegten sich, flackerten, brannten eine Weile und erloschen dann urplötzlich wieder, um an anderer Stelle erneut auf sich aufmerksam zu machen. So berichten Rei- sende und Wanderer immer wieder von diesen unheimlichen Lichterscheinungen. Zum Teil wurden diese Lichterscheinungen auch mit der „arme Seel vo an Mörder“ in Verbindung gebracht, wobei das Rauschen des Windes durch das Loisachtal als erbarmungswürdiges Stöhnen des Irrlichts gedeutet wurde. Eine Sage erzählt, dass die an verschiedenen Stellen immer wieder aufleuchtenden heulenden Seelenlichter eines Mörders die Fahrgäste einer Reisekutsche so aufgewühlt hatte, dass eine der mitreisenden Frauen noch am gleichen Abend eine Kerze für das Seelenheil des Mörders stiftete. Ein anderes Naturereignis führte zu einem seit vielen Jahrzehnten in Oberau nicht mehr geübten Brauch: Das Scheibentreiben. Der Brauch könnte auf die Er- innerung an einen Meteoriteneinschlag in vorgeschichtlicher Zeit (Bronzezeit, Keltenzeit) im Chiemgau, den sogenannten Chiemgau-Impakt, der bis ins Wer- denfelser Land durch Feuererscheinungen am Himmel zu sehen war, zurückzuführen sein. Der Brauch des Scheibentreibens wurde immer in der Woche nach Ostern, vom Dienstag auf Mittwoch, von den Oberauer Burschen zu Ehren ihrer Liebsten praktiziert. Videoclip ‚Gedicht – Scheib‘n will i Treib‘m‘ Auch besondere Steinformationen haben den Geist der Einwohner angeregt und versucht das Zustandekommen dieser geologischen Formation zu erklären. Eine davon steht am Fuße des Estergebirges, nicht weit hinter der Grenze zur Nachbargemeinde Eschenlohe: Die Teufelskapelle. Die Steinformation hat die Form einer Kapelle. Bei besonderen Lichtkonstellationen tritt dieses steinerne Kirchlein aus dem Berghang heraus und präsentiert sich eindrucksvoll dem Betrachter. Beson- ders mystisch wirkt die Teufelskapelle, wenn sie von Nebelschwaden umrahmt wird. Während reale Kirchen – wie z.B. die St. Georgskirche auf dem Bühel – von Christenhand erbaut worden sind, kann folglich eine rein aus Fels geformte Kirche – ohne Türen und Fenster – nur vom Teufel selbst errichtet worden sein. Aber nicht nur Naturphänomene, sondern auch geschichtliche Ereignisse führten zu Sagen in und um Oberau. Eine davon hat ihre Wurzeln vermutlich in dem von Papst Urban III. auf der Synode von Clermont im Jahre 1095 ausgerufenen Krieg gegen die muslimischen Reiche im Nahen Osten. Es liegt nahe, dass wohl auch der eine oder andere Bewohner des Loisachtales sich aus religiöser Überzeugung oder Abenteuerlust einem dieser Heerzüge angeschlossen hatte und zum Teil auch nicht mehr heimgekommen war. Geschichten, die in späteren Jahrhunderten erzählt wurden, legen zumindest diese Vermutung nah. Dieses historische Ereignis, ergänzt mit der Dunkelheit, dem unheimlichen Rauschen des Windes, dem Gurgeln und Plätschern des Wassers des Ronetsbachs und der Loisach, gepaart mit den aufflackernden Irrlichtern, hat den Talbewohnern einen Streich gespielt und ihnen durch das Tal ziehende Heerzüge vorgegaukelt.

Das Goldene Au Seite 21 Zwei Bäuerinnen, eine aus Tirol, die andere aus Partenkirchen, berichten unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeitpunkten von diesen Heerzügen. Beide befanden sich auf einer Wallfahrt nach Ettal. Diese spirituell angespannte Situation unterstützte sicherlich – ergänzt um die alten Erzählungen – die Erscheinungen. Der Kreuzzug findet auch Erwähnung in einer weiteren Sage, bei der zwei Brüder um das Erbe ihres Vaters kämpfen, der von einem Kreuzzug nicht mehr zu- rückgekehrt war. An diesen Kreuzzügen haben auch niedrige Adlige teilgenommen. Das könnte auch auf das In Oberau ansässige „niedere“ Adelsgeschlecht“ der Auer zugetroffen haben. Sagen mit kämpfenden Brüdern weisen darauf hin, dass ein Geschlecht durch einen Erbschaftsstreit ausgelöscht wurde. In Oberau ist im 13. und 14. Jahrhundert die Existenz des niederen Adelsgeschlechts („miles“) der Auer überliefert. Nachdem das Geschlecht danach nicht mehr in Urkunden und Aufzeichnungen er- scheint, muss davon ausgegangen werden, dass es im männlichen Zweig ausgestorben ist. 1984 wurde im Zuge der Renovierungsarbeiten in St. Georg ein Grab entdeckt, das die Gebeine eines Mannes, einer Frau und Kinderskelette enthielt. Der Schä- del des Mannes hatte in der Stirn ein großes Loch, das von einer Waffe stammen muss. Die Knochenfunde sind aufgrund einer Radiumcarbonuntersuchung um das Jahr 1300 datiert. Der Fund war vor allem deshalb bedeutend, weil die Grabstätte in unmittelbarer Nähe des früheren Altars lag. Nach dem Kirchenrecht durften Menschen grundsätzlich nicht in der Kirche beerdigt werden. Es gab allerdings Ausnahmen. Im großen Rahmen waren dies natürlich der Klerus und der hohe Adel, deren Angehörige ihre letzte Ruhe in den Kathedralen des Mittelalters fanden. Gehören die gefundenen Knochen zu Mitgliedern der Familie der kämpfenden Ritter? Ist einer der Ritter in St. Georg begraben? Wir wissen es nicht. Auf das ausgestorbene Adelsgeschlecht weist auch eine andere Sage hin: In Oberau wurden immer wieder drei weiße Frauen, eine davon mit einem großen Schlüsselbund zur Schatzkammer und einem riesigen Hund, gesehen. Sagen dieser Art, in denen von drei Frauen oder Fräulein die Rede ist, weisen in der Regel auf Burgen und Geschlechter hin, die im Mannesstamm erloschen sind. Inhaltlich ähnliche Sagen von weißen Frauen und dem Höllenhund finden wir z.B. in Berchtesgaden, aber auch in unmittelbarer Nähe im Zusammenhang mit der Burg Werdenfels. Videoclip ‚Sagen‘ Videoausschnitt ‚Alpgeister von Walter Steffen – Der Bruderkampf‘ Videoclip ‚Von schwarzen Strudeln und einem Höllenhund‘

Das Goldene Au Seite 22 Literaturvereichnis Weiterführende Informationen über die Geschichte von Oberau: - Schelle, Heinz: Das Goldene Au. Eine Oberauer Chronik mit Bildern. 2. Auflage. Garmisch-Partenkirchen 1991 - Schelle, Heinz: Chronik eines Bauernlebens vor zweihundert Jahren. 2. Auflage. Rosenheim 1988 - Dussler, H.: Geschichte der Ettaler Bergstraße. Erweitert und neu herausgegeben von Peter Bitzl, Pater Laurentius Koch OSB und Heinz Schelle. - Schelle, Heinz: Auf den Spuren eines Vergessenen. Ein Dasein in leidvoller Zeit. Taufkirchen 2010 - Bitzl, Peter; Koch, Laurentius OSB; Schelle, Heinz: Die Kirche St. Georg in Oberau. Oberau 2007 - Schelle, Heinz; Bitzl, Peter: Weber gump, gump, der Kaiser schlagt ump. Garmisch-Partenkirchen 2001 - Appler Sigi; Bitzl, Peter; Schelle Heinz: Sagen und andere wunderliche Geschichten. Oberau 2020 Bildverzeichnis -Älteste Zeugnisse: Archiv H. Schelle (1) Archiv P. Bitzl (1) Plansammlung HStaA (1) -Von der Gröbe des Gebirgs: Das liebselige Getreid: Gemeindearchiv Oberau (1) Plansammlung HStaA (1) -Vor Pest Hunger und Krieg verschone uns oh Herr: Wikipedia (gemeinfrei) (1) Plansammlung HStaA (1) -Unterm Krummstab ist gut wohnen: Unter ettalischer Herrschaft: Archiv P. Bitzl (1) Gemeindearchiv Oberau (1) -Dorf an der Grenze: Plansammlung HStaA (1) Gemeinde Oberau (1) -Vom weißen Auer Gold: Margot Daisenberger (Lippn) (1) Gemeindearchiv Oberau (1) Heimatmuseum Werdenfels (1) -Fahr ma auf Minga mit`m Floß: Gemeindearchiv Oberau (4) Au an der Gabelung von zwei Fernhandelsstraßen Plansammlung HStaA (1) Gemeindearchiv Oberau (1) Archiv P. Bitzl (1) Archiv für Postgeschichte in Bayern (1) -Ein alter Oberauer Hof: Gemeindearchiv Oberau (1) Archiv H. Schelle (1) -Oberau im Industriezeitalter: Die Bahn kommt und die neue Ettaler Straße wird gebaut: Gemeindearchiv Oberau (2) Archiv P. Bitzl (2) -Vom Bauerndorf zum Industrieort: Gemeindearchiv Oberau (3) Archiv P. Bitzl (1) Wikipedia (gemeinfrei) (1) -Berühmte Oberauer: P. Bitzl (1) Gemeindearchiv Oberau (8) Wikipedia (gemeinfrei) (2) Impressum - „Das Goldene Au“ Ein Überblick zu Geschichte und Entwicklung der Gemeinde Oberau 1.Ausgabe Oktober 2022 - Herausgeber: Gemeinde Oberau, Schmiedeweg 10, D-82496 Oberau, Deutschland, Tel. +49 (0)8824 9200 0, e-Mail: info@gemeinde-oberau.de - Texte und Bildzusammenstellung: Prof. Dr. Heinz Schelle, Peter Bitzl - Gestaltung: walkmanagement, Reinhard Walk, Weberweg 9, D-87672 Roßhaupten, Tel. +49(0)8367 9139024, e-Mail: info@walkmanagement.de - Titelgrafik: allgäubild, Andreas Greil, Tel. +49 (0)8362 923949, e-Mail: info@allgaeubild.de

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