Das goldene Au

Das Goldene Au Seite 16 Vom Bauerndorf zum Industrieort Der Niedergang der bäuerlichen Gewerbetätigkeiten gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde kompensiert durch den Aufbau von zwei Industriebetrieben durch zwei Pioniere, Andreas Kienzerle und Theodor Poettinger. Wieder waren es der Rohstoff Holz und die Wasserkraft des Gießenbachs, die den Einwohnern Arbeit und Brot gaben. Andreas Kienzerle, der aus einer Kohlgruber Familie stammte, soll, so geht die Legende, schon als Kind den Wunsch gehabt haben, einmal die Kraft des Gießenbachs zu nutzen. Im März 1888 begann Kienzerle mit dem Aufbau einer Anlage zur Produktion von Lederpappe. Für die Fertigung aus brau- nem Holzstoff wurde Elektrizität und Holz gebraucht. Für die Erzeugung waren zunächst 32 Männer und 13 Frauen beschäftigt. 1889 konnte die Produktion bereits durch die neu eröffnete Bahn Murnau – Garmisch versandt werden. Die Ansiedlung der Firma Papier und Pappe und die stetig anwachsende Produktion bestimmten bis zum Ende des 20 Jahrhunderts ganz wesentlich das Schicksal und die Größe des Ortes. Oberau war sozusagen von einem Tag auf den anderen vom winzigen Bauerndorf zum Industrieort geworden. Die Bevölkerung wuchs. Die Arbeitskräfte kamen vor allem aus Altbaiern (Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz), aus dem heutigen Regierungsbezirk Schwaben, aus Kärnten und dem Trentino. Da sich der kulturelle Hintergrund der Arbeiter nicht allzu sehr von dem der Einheimischen unterschied, gelang die Integrierung, wenngleich die Industriearbeiter eine etwas andere Einstellung zur katholischen Kirche hatten. Die später „Papier und Pappe“ genannte Firma, die über 100 Jahre das Schicksal des Ortes bestimmt hatte, existiert heute nicht mehr. Die industrielle Tradition wird durch die Langmatz GmbH fortgesetzt. Der Produktionsfaktor Holz spielt keine Rolle mehr. Ein zweiter Industriepionier, der schon genannte Theodor Poettinger (1869-1936), kam 1892 von Holzkirchen und erwarb die Säge von Ludwig Daisenberger (Lippen). Auch er nutzte die Kraft des Gießenbachs zur Stromerzeugung und den Holzreichtum der Gegend. Er baute einen Betrieb auf, der 1921 etwa 45 Mit- arbeiter hatte, für das kleine Oberau eine stattliche Anzahl. Wie Kienzerle erkannte er früh die wachsende Bedeutung der Elektrizität. Die Ansiedlung von zwei Industriebetrieben veränderte den Charakter des Dorfes. Der Anteil der bäuerlichen Produktion ging stetig zurück, eine ganze Reihe von Höfen wurde aufgegeben. Da die Zuwanderer zu einem großen Teil aus Altbaiern, Schwaben und Franken kamen, war der kulturelle Hintergrund dem der Alteingesessenen ähnlich. Das Dorf der Mühlen Loisach und Gießenbach überschwemmten immer wieder die Wiesen und Äcker der Auer. So sagten sie in der Steuererhebung von 1671, dass ihnen der „Leusachrunst bereits Äckher, Wismader und Lüss völlig weckhgenommen“ und dass…der „diessenbach ihren völligen bluembesuch (Viehaustrieb) verwiesen“. Der Gießenbach und die Loisach waren aber auch ein Segen für das Dorf. Der Bergbach trieb auf dem Höhepunkt der Gipsproduktion zwölf Gipsmühlen, eine Sägemühle, eine Mahlmühle und eine Hammer- schmiede. Auf der Loisach wurden ein großer Teil der Gipsproduktion und der Holzprodukte wie Bretter, Schindeln und Holzkohle befördert. Auch das Floß selbst fand Käufer. Hammerschmiede, um 1900

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